Von Subcutan bis subversiv, eine Gedankenlinie zum Thema Tattoo. Eine sehr lange Geschichte der unauslöschlichen Markierungen, mit denen Menschen Zugehörigkeit, Rang oder persönliche Passion zeigten und zeigen. Im Lauf der Geschichte wechselte die Bedeutung von Tattoo’s zwischen Stigmatisierung und stolzem Zeigen. So gut wie irreversibel begleiten sie ihre Träger, die solche Markierungen ertrugen oder als Nachweise von Besonderem, als Kunstwerke präsentieren. Gekennzeichnet vom Überschreiten oder Überwinden von Grenzen. Auch der Grenze der körperlichen Unversehrtheit. Im Dritten Buch Mose 19,28 wurde geschrieben, dass man einen Einschnitt wegen eines Toten am eigenen Fleisch nicht machen soll, ebenso keine geätzte Schrift.

Im frühen Japan markierten sich Damen gewisser Dienstleistungen und Arbeiter gern mit Tätowierungen. Später wandelte sich das zur Brandmarkung Krimineller. ‚Anständige‘ Menschen ließen sich nicht tätowieren. Insgeheim aber und andernorts war es auch in höchsten gesellschaftlichen Kreisen verbreitet. Man war tätowiert, zeigte es aber nicht öffentlich. König Georg V. von England, König Alfonso XIII. von Spanien oder König Frederik IX von Dänemark werden als prominente Beispiele genannt. Auch Kaiserin Elisabeth von Österreich-Ungarn trug das Bild von einem Anker auf ihrer Schulter. Und zu jedem Hafen auf der Welt gehörten und gehören die Seeleute, die ihre Verbundenheit mit ihrer Welt unter der Haut verankerten.

Dem gegenüber die Erwähnungen von Tätowierungen im Dienst der rekonstruierenden Medizin. Die Prozedur des Tätowierens ist unter der Internationalen Klassifikation der Behandlungsmethoden in der Medizin als chirurgische Prozedur gelistet (Tätowieren und Einbringen von Fremdmaterial in Haut und Unterhaut). Die Vielfalt dieses Genres füllt Bücher. Jetzt das wohl umfangreichste Werk über die weltweite Verbreitung und die Vielfalt dieser Kunstform. TATTOO, herausgegeben vom TASCHEN Verlag. Es ist Geschichtsbuch, Kunstbuch und mitreißendes Memoir zugleich. Über zweihundert Jahre Tätowiergeschichte werden darin abgebildet, es zeigt intime Einblicke in das Leben der Tattoo-Künstler, deren Kämpfe und Triumphe und den ihre Geschichte prägenden Mut.

Autor ist Henk Schiffmacher, Star der Szene. Er hat in den zurückliegenden vierzig Jahren sein Herzblut in seine Sammlung von Originalzeichnungen (Flashes), Lithographien, Radierungen, Instrumenten, Gemälden und allem Greifbaren im Zusammenhang mit dem Tätowieren gesteckt. Auf siebenhundert Seiten dokumentiert das Buch in fünf Kapiteln sein Lebenswerk und die Vielfalt der Kunstform weltweit. Abgerundet wird der Band durch ein Dutzend von Schiffmacher‘s Originalillustrationen in seinem unnachahmlichen Stil und eine persönliche Einführung. In diesen privaten Reflexionen beschreibt er seinen Werdegang als Künstler und Sammler sowie die eigene faszinierende Sicht auf den Weg dieser Kunst vom Underground zum Mainstream. Zugleich erfährt man all die abenteuerlichen Geschichten rund um die Entstehung seiner Sammlung – einer der größten Tätowierungskollektionen der Welt – aus der Perspektive eines Kenners und Autodidakten, der diese Kunst und ihre Innovatoren wie kaum ein anderer liebt und verehrt.

Herausgeberin ist Noel Daniel. Sie studierte nach ihrem Abschluss an der Universität von Princeton als Fulbright-Stipendiatin in Berlin. Nach einem Masterstudium in London leitete sie zunächst eine Galerie für Fotografie, ehe sie ihre Arbeit als Herausgeberin aufnahm. Zu ihren bislang erschienenen TASCHEN-Publikationen zählen Kay Nielsens Tausendundeine Nacht sowie Östlich der Sonne und westlich des Mondes, Die Märchen der Brüder Grimm, Die Märchen von Hans Christian Andersen, Das Wintermärchenbuch, Magic, und The Circus.
Nur hier in die Erinnerung ‚tätowiert‘ die Daten zum Buch: TASCHEN TATTOO. 1730s-1970s. Henk Schiffmacher’s Private Collection. / Nummerierte Erstauflage von 10.000 Exemplaren / Henk Schiffmacher, Noel Daniel / Hardcover, 29 x 38,8 cm, 5,56 kg, 440 Seiten / 125 Euro
Visuals mit freundlicher Erlaubnis des TASCHEN Verlag