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DER PROPHET UND DAS LAND…

Kein Rückblick und kein Nachruf! Luigi Colani hat Geburtstag. Die Zahl neunzig ist zu erwähnen, an sich ist sie bedeutungslos. Denn hier geht es um einen Menschen, der immer allem, auch der Zeit, voraus sein wollte. Und das mit aller Kraft immer wieder auch war und ist. Aber ist das richtig, so unverbindlich einfach von Zeit zu sprechen, die noch nicht so weit sei? Stimmt nicht vielmehr, dass die menschliche Behäbigkeit sich hinter diesem ‚die Zeit ist noch nicht so weit‘ kommod versteckt? Kein Wunder, dass Colani sich legendär gegen die Beharrlichkeit auflehnte. Er ist der Herr der klarsten Worte. Verteufelt die zwanghafte Rechteckigkeit von Bauhaus genauso wie kleinmütiges Denken, das wie trockener Kaugummi in den Hirnen klebt. Es ist unangemessen darauf hinzuweisen, dass seine formalen Thesen mittlerweile in die Gestaltung einfließen. Das würde ihm die Rolle des leidenden Propheten im eigenen Land zuweisen. Da, wo die Propheten nett und artig zu sein haben. Umgeben von Bedenkenträgern und Bestandsbewahrern. Er kann auch nicht der Säulenheilige sein, zu dem die Vielen im Stillen beten, deren Bemühen in der Bewahrung der Normierung geschleift worden sind. Es gibt da diesen Spruch von ‚zu früh ist auch nicht pünktlich‘. Aber zu spät ist die schlechteste aller Möglichkeiten. Üblich wäre, recht artig über Colani’s Projekte zu berichten. Viele, sehr viele waren es. Und laut, herausfordernd und kontrovers waren sie allemal. Was käme da heraus? So Anerkennendes wie interessant, provokant, in die Zukunft gerichtet zum Beispiel. Recht hatte er, das könnte ja auch noch gesagt werden. Wie wäre es alternativ mit einer anderen Wahrheit? Wir haben es nicht kapiert, als bedrohlich empfunden im Land des allgemeinen Mehltaus und der rechten Winkel. Luigi, alles Gute zum Geburtstag. Und alle Kraft für die Zukunft. Denn Deine Zeit ist längst nicht so weit für Gedanken, die sich andere in Deinem Alter machen. Noch ein Satz aus 2012 von Colani:

„Wir Menschen versündigen uns in geradezu gigantischer Weise an der Natur. Und die Natur wird sich eines Tages denken: Wie lösche ich diese Lumpen aus, die mich zerstören? Die Natur wird sich mit unvorstellbaren Katastrophen – Vulkanausbrüche, Erdbeben, Unwetter – an uns rächen. Ich habe großen Schiss davor. Wir müssen umdenken, auf der Stelle. So, das musste ich noch loswerden. Denkt an meine Worte.“