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SCHWACH, MONSIEUR STARCK…

„Everything I do is a symbol. Everything, has a meaning.“ Artisten neigen zu Altruismus in der Beschreibung der Wirkung ihres Tuns. Und zu zentriertem Egoismus in der Bewertung ihrer Leistung. Damit sind sie ohne Zweifel nicht allein. Denn ohne die Spannung zwischen den zwei Polen entstünde nicht die notwendige Energie um gehört zu werden oder Neues zu bewirken. 1986 hat Philippe Starck Starck im New York Magazine den Satz gesagt, mit dem dieser Beitrag beginnt. Die Geschichte um den A.I.Chair reizt, nach dem Symbolischen und Bedeutungsvollen zu fragen. KARTELL, Autodesk und Philipe Starck, A.I.Chair

In Zusammenarbeit mit Autodesk hat Mr.Starck einen Stuhl entwickelt, der unter Zuhilfenahme zeitgemäßer Systeme etwas Revolutionäres ermöglicht: Man kann auf ihm sitzen. Und über einen Satz nachdenken, der zum Vortrag kam. Philippe Starck: „Der Stuhl A.I. steht am Anfang einer großen Freiheit – einer umwälzenden Veränderung, wie sie menschengemachte Revolutionen gar nicht mehr bewirken könnten“. Mögliche Antwort in einer Sprache, die im europäischen Alpenland verbreitet ist, Ausdruck von perplexem Staunen: ‚Ja do legst di nieder…‘ An sich sollte man ja sitzen bleiben. Auf dem Stuhl, der durch den Kommentar des Herstellers wieder etwas näher zum Boden der Tatsachen gebracht wird. Der A.I.Chair sei der erste von künstlicher Intelligenz und Menschen gemeinsam entwickelte Stuhl. Revolutionär auch, weil sein Createur sich nicht vom ‚Diktat einer Stuhl-Architektur‘ bestimmen lassen wollte. Symbolhaft, bedeutungsvoll eher weniger, die Ambivalenz, die Monsieur Starck der zukünftigen Rolle von Gestaltern zumisst. KI im Designprozess mache es möglich, dass Mensch und Computer oder umgekehrt gemeinsam Objekte entwerfen, die über das menschliche Vorstellungsvermögen hinausgehen. Setzen und nachdenken, Mr.Starck! KARTELL, Autodesk und Philipe Starck, A.I.Chair

Das tiefgründig operettenhafte der Entstehungsgeschichte von A.I.Chair lenkt vom Wesentlichen der Vorzüge von GENERATIVE DESIGN ab. Mit Hilfe der Rechenkapazität von Computern ist es möglich, in kurzer Zeit eine hohe Zahl an Ausführungs-Modellen eines Objekts unter Berücksichtigung von Material, Einsatz, Entwicklungsgeschwindigkeit und Belastungsparametern zu entwickeln. Aus betriebswirtschaftlicher Sicht verkürzt das die ‚Time to Market‘, entlastet von riskanter Vorentwicklung althergebrachter Prozesse und ermöglicht hoch-reaktive Marktanpassung. Angemessener Begriff: Evolution. Ein Teil davon ist die Möglichkeit, industrielle Produktionsweise mit ihrer zentralistischen Struktur durch dezentrale Fertigung nah am faktischen Bedarf zu ersetzen. (Wenn es interessiert, mit einem ‚Klick‘ hier geht es zu einem Betrag zu 3D Druck in Afrika.) Von nicht hoch genug einzuschätzender Bedeutung ist, dass Generative Design den Wandel im Ressourcenverbrauch einleiten kann. Aus Recyceltem entwickelte neue Materialen in Verbindung mit errechneten Parametern für geringstmöglichen Verbrauch bei maximal zu berücksichtigender Stabilität haben das Potenzial zur notwendigen Nachhaltigkeit. Darauf eingestellte Fertigungseinrichtungen (3D Printer zum Beispiel) sind danach Bestandteil der Prozesskette. Für Designer wäre das eine Vision: Sie entwickeln die Software aus Form und erdachter/gewünschter Funktion. Bereitgestellt wird sie auf ja nun nicht mehr revolutionäre Weise, also via digitaler Kommunikation. Realisiert am Bedarfsort. Musik- oder Video-Streaming, klappt ja schon lang. 3D-Drucker sind halt noch nicht so breit vertreten wie TV- und Audio-Endgeräte.

Zurück zum A.I.Chair. Philippe Starck stellt die Verbindung zu Generative Design und Materialeinsatz her: „Unbewusst versuchen wir, Objekte mit so wenig Material wie möglich herzustellen. Letztlich ist Design die Theorie und Strategie, den Materialeinsatz zu reduzieren. Deshalb war es so wichtig, für diesen Stuhl so wenig Material wie möglich zu verwenden. Wir sollten versuchen, bei den Objekten, die wir herstellen, weniger Material einzusetzen“. Nicht differenziert formuliert, im Grunde aber richtig. Der Vorstandsvorsitzende von Kartell, Sig. Claudio Luti, präzisiert das aus Sicht seines Unternehmens: „Es geht nicht einfach darum, ein Produkt zu schaffen, das nachhaltig erscheint“, so Claudio Luti, Vorstandsvorsitzender von Kartell, „sondern eine Strategie zu entwickeln, die den gesamten Herstellungsprozess umfasst, vom Geschäftsplan über das Marketing bis hin zur Kommunikation und dem Vertrieb.“ Assistiert von Lynelle Cameron, CEO der Autodesk Foundation und Vizepräsidentin für Nachhaltigkeit bei Autodesk: „Kreislaufwirtschaft bedeutet nicht nur Recycling. Es geht darum, die Idee des Upcycling zu verwirklichen und dafür zu sorgen, dass die Materialien, die wir in unsere Produkte einbringen, in einem neuen Produkt wiederverwendet werden können.“ Zusammenfassung: Nachhaltigkeit im Gestaltungs- und Herstellungsprozess ist Teil der notwendigen Lösung. Du kannst von Deinem Stuhl wieder aufstehen, Philippe. Es bleibt beim ‚Alten‘- intelligentes Handeln und konsequente Umsetzung bringen die Dinge weiter. Eine Frage noch: Wieso dauerte es zwei Jahre für die Entwicklung eines Stuhles? Es sind Fälle bekannt, da dauerte die Entwicklung höchst komplexer GD-Objekte ungefähr vier Monate, einschließlich vier Sitzgelegenheiten. Ausgelöst übrigens von HI (human intelligence)…

Noch ein kurzer Nachtrag: Auf dem Bild vom KARTELL-Store in Köln / IMM Cologne ist der A.I.Chair mit NATURAL INTELLIGENCE in Verbindung gebracht worden…

Fotos von AUTODESK und KARTELL