Der Herr ist mein Hirte; mir wird an nichts mangeln. Ein Satz daraus noch: Er führet mich auf rechter Straße um seines Namens willen. Sehr lang war das Telefonat mit Ludwig Watteler. Seine Bilder von den Hirten und der Herde sind auf den ersten Blick Dokumente eines noch heute ausgebübten Tuns: Hirten führen die Schafe von Bauern aus Südtirol über die Berge nach Norden auf die besseren Weiden, vor dem Winter geht es dann von den Almen im Ötztal wieder nach Hause. Ein spektakuläres Ereignis. So tief in der bäuerlichen Tradition verwurzelt, dass die TRANSHUMANZ im Jahr 2011 in das Nationale UNESCO-Verzeichnis des immateriellen Kulturgutes in Österreich aufgenommen wurde. Seit 1415 besteht ein Vertrag, der den Bauern aus Südtirol die Weiderechte auf den Höhenalmen im Ötztal sichert. 3000 Hektar oberhalb von Vent gehören ihnen, gegen Bezahlung von ‚Grasgeld’ für die Nutzung der Weiden. So um die 1000 bis 2000 Schafe sind es, die da jedes Jahr auf die Reise gehen. Ludwig Watteler war auf dem Rückweg dabei. Aus der Gegend oberhalb von Vent rund 500 Höhenmeter bergauf bis zur Passhöhe des Niederjoch und dann 1300 Höhenmeter bergab ins Schnalstal. Damit ließe sich die Geschichte beenden, als Reportage über ein Jahrhunderte lang geübtes Brauchtum in den Bergen. Aber das ‚Bild’ von Hirt und Herde hat einen größeren Rahmen. Für Herrn Watteler sind seine Fotografien Sinnbilder für Vertrauen zwischen den Bauern und den Hirten, die die Sorge für die Tiere übernehmen. Anstöße auch, über Mensch, Tier und Natur nachzudenken. Verlockung für den Betrachter ist, da noch etwas weiter zu gehen. Das Bild vom Hirten und der Herde auf eine andere Ebene zu heben. Über Verantwortung nachzudenken, über Führung als Wegbegleitung und Vertrauen…
PSALM 23…
Veröffentlicht 4. November 2017