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WHO’S NEXT?

Obdachlosigkeit, Architektur und die Stadt. „Who’s Next?“ Ausstellung/Projekt des Architekturmuseum der Technischen Universität München. Start 04.November 2021. Ende 06.Februar 2022. Kuratiert von Herrn Daniel Talesnik. Zusammen mit Herrn Andres Lepik Herausgeber des Buches, das die Ausstellung begleitet: Who’s Next – Obdachlosigkeit, Architektur und die Stadt, erschienen im Verlag ArchiTangle.

In Deutschland schätzte man die Zahl der Obdachlosen auf 41.000. Das war 2018. Es dürften leider nicht weniger geworden sein. Frau Leilani Farha war von 2014 bis 2020 Sonderberichterstatterin der UN für angemessenes Wohnen. Von Ihr ein Beitrag im Katalog der Ausstellung. Sie kritisiert „den Zusammenhang zwischen zügelloser Ausbeutung von Immobilienbesitz und zunehmender Obdachlosigkeit zu verschleiern“ (Zitat Frau Farha). In ihren Augen ist der Skandal der schon immer währende: Wohnen als Menschenrecht, verkommen zur Ware. Immobilien als handelbare und rentierliche Kapitalpositionen. Anderes Bild, frei hinzugefügt: Wenigen gehören die Seen, in denen die vielen schwimmend versuchen müssen, nicht unterzugehen. Sehr ungenau die Zahlen der Menschen, die es weltweit nicht mehr oder noch nie geschafft haben, ein Dach über dem Kopf zu haben. In einer Zeit, in der so gut wie alles gezählt wird – wenn es Ertrag verspricht. Konsens in einer Zone des pervertierten Darwinismus: Wer den Aufwand für sein Zuhause nicht zu leisten in der Lage ist, an dem verliert der Mainstream jegliches Interesse. Ist das die Erklärung dafür, dass auch Deutschland weder Intention noch Strategie hat, die Situation abzuschaffen, wenigstens zu verändern? Andres Lepik, der Direktor des Architekturmuseums, bezeichnet Obdachlosigkeit als nationale Schande – in einem der reichsten Länder der Welt. In einem Land, das die Rolle des Beispielhaften im Rahmen der Europäischen Union spielen will. Trotzdem aber nicht entschlossen auf den Beschluss des Europaparlaments reagiert, der die Mitgliedsstaaten zur Abschaffung der Obdachlosigkeit bis 2030 verpflichtet. „Die Würde des Menschen ist unantastbar. Sie zu achten und zu schützen ist Verpflichtung aller staatlichen Gewalt.“ Artikel 1, Satz 1, Grundgesetzt der Bundesrepublik Deutschland. Ist das mit dem praktizierten System der ultimativen sozialen Sanktion bei Eintreten des Unvermögens zur Zahlung von Mieten oder Hypotheken zu vereinbaren? Bedeutend, dass das Architekturmuseum in der Münchner Pinakothek der Moderne den Skandal herausstellt. Zu fragen ist, ob die Architektur als Begleiter der vorgenannten Zügellosigkeit der Kommerzialisierung von Wohnen die Kraft und den Willen hat, mehr für die Besserung zu tun. Das Problem wird die Menschen verfolgen, so ist zu befürchten. „Who’s Next?“ Keine Frage für Wenige. Bedrohung für viele. „Strong wind destroy our home. Many dead, tonight it could be you. Strong wind, strong wind. Many dead, tonight it could be you. Paul Simon, Homeless. Album Graceland von 1986…       Titelbild: Ein befristet genehmigtes Zeltlager in der Fulton Street vor dem Rathaus in San Francisco. Bereitgestellt vom Architekturmuseum der TUM. ©Christopher Michel