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WIE SIE SEHEN, SEHEN SIE – ERST MAL NICHTS…

Nach ein paar Klicks kam Leben auf den Bildschirm. Versäumt die Reden der Honoratiorinnen und Honoratioren. Volle Konzentration auf den Redner, der über Zukunft spricht, als lebe er bereits in derselben. Aus einem Blickwinkel war der Lifestream-MCBW-Empfang am 8.März 2021 schon recht. Ein paar Klicks statt Anfahrt, im Parkhaus den Platz finden, der optimal nah am Lift ist, keine Parkgebühr und keine Sorgen wegen Dresscode. Komm wie Du bist- Slogan der Parties, die bei Micky Maus gefürchtet waren (Dagobert musste mal mit der Badewanne voller Geld kommen, weil ihn die Einladung beim Baden in Geld erreichte)- in Reinform am Screen. Auf der anderen Seite schon Bedauern. Keine Gespräche, kein Wiedersehen, kein open end. Klick. Pünktlich um 20.oo Uhr war die Show vorbei. War und ist derzeit nicht zu ändern. Es gibt wahrhaftig Wichtigeres als Präsenz-Parties.

MCBW 2021 / MATTHIAS HORX VORTRAG
Frau Lisa Braun, Leiterin der MCBW, führte durch das Event, rechts als Orakel der Designer-Zukunft Herr Matthias Horx…

Vorteil der Inszenierung: Fokussierung auf die Inhalte des Vortrags von Matthias Horx. Vielbeschäftigter Speaker, Trend- und Zukunftsforscher und Motivator jener, die mit der Relativität von Zukunft so ihre Probleme haben, Zuspruch, Heilsbotschaften und ihren Propheten suchen. Im Prinzip bestätigte er in seinem sehr breit und auch an Gestrigem angelegten Vortrag, was seit Jahrzehnten die Formel für Design ist: Design ist alles. Die Begründung hierfür bietet Raum für Vieles. Auch das seit Jahrzehnten gewohnter Weg, Antworten auf Fragen zu geben, die nicht gestellt waren. Nun ist es zur Zeit ja so, dass dem Begriff Design abweichend von seiner Funktion als Ergänzungsbegriff von Berufsbildern Zuständigkeiten zugeschrieben werden, auf deren Erfüllung das Metier in keiner Weise vorbereitet ist. Als Turnierplatz für ablenkende Scharmützel genutzt, gerät Design in einen fatalen Sog: Design ist alles. Und jede/jeder ist Designer. Für die Ausübenden von Design ist das eine Herausforderung. Für die akademische Ausbildung in diesem Fach kann es zu einer Grundsatzfrage werden. Denn die zu vermutenden zukünftigen komplexen Anforderungen überschreiten das gängig akademisch Ritualisierte. Design als Formel für ‚gestaltend tätig‘ erweitert den Rahmen. Letztlich kann (und muss) jeder seinen Beitrag zu Gestaltung einbringen. Zuhören ist geboten und auch mit dem Risiko verbunden, allgemeine Lebenshilfe unter dem fragwürdigen Kompetenz-Label von Zukunftsforschung geistig verarbeiten zu müssen.

MCBW 2021 / MATTHIAS HORX VORTRAG
Wenn Bilder mehr sagen als Worte, dann wäre für das Design etwas zu wünschen…

Matthias Horx hat für die MCBW seine Glaskugel frisch poliert und konfrontiert Design mit einem Potpourri an Zukunfts-Hypothesen und vielfältig einsetzbaren Allgemein-Weisheiten. Stichworte: Die neue Designerin/ der neue Designer werden die Welt prägen, indem sie die Fugen zwischen den komplexen Gestaltungsphänomenen analysieren und gestalten. Als Agenten der Zukunft werden weibliche und männliche Designer Prozesse definieren, keine Produkte. Konstruktive Rebellion wird vonnöten sein. Denn im Prinzip ist alles designt. Kernsatz des Design-Thinking: Neues kann man nicht in alte Strukturen zwingen. Relativ viel Zeit widmete Herr Horx der aktuellen Situation, zu der er sich vielerorts ja bereits ausführlich sphärisch äußerte. Ein Punkt war, ob die Abfolge der Krisen in immer kürzeren Zeitabständen stattfinde. Erläuterung: Früher war es nicht besser. Interessanter Ansatz -und vor langer Zeit Inhalt eines interessanten Gesprächs mit dem verstorbenen Bundeskanzler, Herrn Helmut Schmidt/Herr Horx war nicht anwesend- war und ist die Frage, ob Lösungen von Krisen Ursache ihrer Potenzierung sind. Anzunehmen. Das Design ist da nicht auszuschließen.

MCBW 2021 / MATTHIAS HORX VORTRAG
Eine Alternative Hintergrundgestaltung…

Überleitung zum Chaos. Design hilft Chaos zu zähmen. Interessanter Punkt im Vortrag. Und unerträglich, wenn man diesen Gedanken weiterdenkt. Bauhaus reloaded, Design nach Vorschrift. Es geht weiter: Design als Koordinationsfunktion im großen Lebens-Puzzle. Vorschlag im Vortrag: Die Re-Gnose (als Pendant der Prognose). Inhaltlich schon einmal in einem Statement des Zukunftsforschers zu Beginn der Corona-Probleme zur Kenntnis genommen. Man / Designerin / Designer projiziere sich in eine Phase individueller Zukunft und betrachte von dieser Position aus das Reale des Jetzt. Krisenüberwindung durch mentale Extrapolation. Und zusehen, was der in dieser Art zu schaffende hypothetische Ego-Avatar so anstellt, bis er die Gleichzeitigkeit mit seinem in die Zukunft gebeamten Master-Brain erreicht hat. Nette Vorstellung. Die Realität tritt dann ein, wenn es zum Beispiel an der Tür klingelt. Herr Horx zitierte den unvermeidbaren Satz von Herrn Helmut Schmidt – erinnern Sie sich an die Sache mit Visionen und dem Arzt? Was diesen Vorschlag des In-die-Zukunft-Beamens angeht, da träfe die Aussage von Herrn Schmidt zu!

Zu Beginn seines Vortrags versuchte Herr Horx, Zukunft zu definieren. Sie sei Phantasie. Realität wird daraus, wenn das Jetzt und die Prognose zusammentreffen. Dann war es das mit der Zukunft. Nicht so im Vortrag, dafür hier die Überleitung zu einer massiv drängenden Problematik, der Digitalisierung. In Anwendung der Idee der RE-Gnose läßt sich hinterfragen, ob das Gewünschte mit dem Erreichten kongruent ist. Passend ja, weil Digitalisierung als Bezeichnung eines technisch definierten Prozesses ja schon so steinalt ist, dass sie im Prinzip nicht als Zukunft herhalten kann. Das war eine Sequenz, die genaues Zuhören forderte. Es wird kritisch, ist es wohl bereits, wenn aus Digitalisierung Digitalismus wird. Denn die Simulation bilde die Welt-Wirklichkeit nicht ab. Dramatisch wird es und ist es schon derzeit, wenn Digitales zur Mutation des Denkens und zu menschlicher Verarmung führe oder führt. Von den Menschen sei zu fordern, nein, es sei ihnen nahezulegen, in kugelförmigen Räumen zu denken und synaptische Zufallsverbindungen zu tolerieren. Denn Linearität, auch hinsichtlich der sehnsüchtig erfragten Zukunft, sei eindimensionale Illusion. Als Trend seien zwei Begriffe ins Auge zu fassen: Glo-Kalisierung als (das ist beim Verfassen des Beitrags hinzugefügt, nicht so von Herrn Horx gesagt) zukunftsfähige Re-Organisation des überbordenden Globalismus durch Fokussierung auf lokal Leistbares. Und Begriff zwei, die R-Urbanisierung als Hinweis auf die Notwendigkeit -und die Chance- der Lösung vom verdichtenden Urbanismus. Vorschlag: Das wäre ein Thema für das Projekt NEUES BAUHAUS EUROPA, das jubelnd vom Bauwesen als Chance der Neu-Zementierung aufgenommen wurde. Auch das ja ein Komplex, den Designerinnen und Designer in Angriff zu nehmen hätten. Als ordnende Kräfte im Chaos. Shaping Future by Design, Leitmotiv der MCBW 2021 und Titel des Vortrags. Als Analyse, ob Design alles sein kann und ob die Gestaltenden dieser Positionierung gerecht werden können. Der Blick in die Zukunft orientiert sich am Bild aus der griechischen Mythologie. Designerinnen und Designer werden wie einst Prometheus unbeirrbar Wissen um Verbesserung zu den Menschen bringen. Und falls dabei die Berufskleidung in Mitleidenschaft gezogen würde, als Schluss ein Tip, den Herr Horx einfügte: Das Team Horx hat die Jeans im Rent-Service. Und nicht einmal die Zukunft der Hosen lässt sich schlüssig pognostizieren. Summary: Ein anderer Blickwinkel schadet nicht. Insgesamt ein Vortrag, der an sich nur Eines klärte: In der Glaskugel wird man die Zukunft nicht finden. Als Prolog zur MCBW, trotz Nennung einiger lang bekannter Trend-Stichworte, kaum tauglich.

Die Bilder: Screenshots vom Event am 8.3.2021 / Titel: Designers-Digest, Archiv