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KUNST LÄSST SICH NICHT VERSCHIEBEN…

Ihre Auftritte müssen verschoben werden. Aktuell: Die Verschiebung der Verleihung des PRAEMIUM IMPERIALE der Japan Art Association, einer der bedeutendsten Kulturpreise, seit 1989 auf Anregung des japanischen Kaiserhauses im Andenken an Prinz Takamatsu (1905-1987) vergeben. Die aktuellen Preisträger werden offiziell nun im September 2021 statt im September 2020 bekannt gegeben. Die Preisverleihung wird im Oktober 2021 stattfinden. In der Hoffnung, dass sich die Welt bis dahin von der globalen Krise erholt haben wird und die Bedrohung durch das Coronavirus überwunden werden konnte. Praemium Imperiale, Anne-Sophie Mutter

Frau Anne-Sophie Mutter war der PRAEMIUM IMPERIALE, der Nobelpreis der Künstler, 2019 für ihr Lebenswerk verliehen worden. Mit ihrem Brief anlässlich der Verschiebung richtet sie sich an die Freunde der Kunst:

Liebe Freunde des Praemium Imperiale,

nun fällt also auch die diesjährige Verleihung dieser weltweit so bedeutenden Auszeichnung der Covid-19 Pandemie zum Opfer. Bei aller Trauer: Ich begrüße diese konsequente Haltung der Japan Art Association, denn Gesundheit und Sicherheit sollten bei allen Überlegungen stets die erste Priorität genießen – niemand darf gefährdet werden! 

Umso mehr freue ich mich auf die Bekanntgabe der nächsten Preisträger, die auf das kommende Jahr verschoben werden muss. Denn wir Künstler gehören zu den am härtesten betroffenen Berufsgruppen, sind wir doch praktisch mit einem Berufsverbot belegt. Für uns Musiker wurde die Kommunikation mit dem Publikum Anfang März abrupt abgebrochen. Ich empfinde das als Amputation. Mich hat der lebendige Austausch mit Publikum erst dazu gebracht, Musiker zu werden. Aber viel wichtiger ist jetzt, dass die getroffenen Maßnahmen greifen, damit Leben nicht gefährdet wird, das man unbedingt schützen und bewahren muss. 

Ich bin Musiker, weil ich wahnsinnig gern Geige spiele – aber letzten Endes immer für den Anderen. Und ich bin der festen Überzeugung, dass dies in nicht allzu ferner Zukunft auch wieder vor einem physisch anwesenden Publikum möglich sein wird.

Meine Vorfreude darauf, wieder für Sie spielen zu dürfen, hilft mir durch diese schwierigen Tage – und ist schon heute ins Unermessliche gewachsen!

Ihre

Anne-Sophie Mutter

Trost soll ihr Brief in Bezug auf die Verschiebung des PRAEMIUM IMPERIALE sein. Für die vom Lockdown und von den Sicherheitsmaßnahmen betroffenen Künstler allerdings geht es um sehr viel mehr: Die Verschiebung ihrer Existenz als Künstler mit völlig ungewissem Ausgang. Frau Mutter hat sich mehrfach zur Notwendigkeit der Unterstützung von Künstlern geäußert. In der Rangordnung der öffentlich bekundeten Hilfsmaßnahmen sind die vielen betroffenen Einzelnen allerdings an das Ende der Bemühungen gerückt worden. ‚Wir lassen niemand zurück‘ hieß es. Daraus wurde ein ‚wir können nicht jeden retten‘. Kunst ist Chronik der Gesellschaft, Sättigung der Seele (Bischof Glettler, Innsbruck). Man kann sie nicht kaufen. Man muss sie erhalten. Es ist ein bedenkliches Zeichen, wenn großen Strukturen große Hilfen zuteil werden, während man Künstler zu Bittstellern macht. Entwürdigend für alle, wenn Turnschuhe und geparkte Flugzeuge (das ist polemisch, sicher nicht umfassend und undifferenziert, richtig) im Fokus stehen, während die Kunst ‚verschoben‘ wird.

Das Bild von Frau Anne-Sophie Mutter hat die Deutsche Grammophon bereitgestellt. Der Fotograf ist Stefan Höderath.