„Vintage“ ist allgegenwärtig: Bejahrtes, Gebrauchtes und Schon-einmal-da-Gewesenes
erfährt neuerdings erhöhte Wertschätzung. Das Museum für Gestaltung Zürich stellt diesen
aktuellen Trend in einer vielschichtigen Ausstellung zur Diskussion.
Immer neue Dinge müssen her! Unsere Konsumkultur lebt davon. Neuerdings darf dieses Neue
aber auch alt sein und gebraucht – oder zumindest so aussehen. „Vintage“ heisst diese Bewegung,
die sich ursprünglich als Alternative in der Konsumkultur des ausgehenden 20. Jahrhunderts
eingerichtet, mittlerweile breite Kreise und Teile der Massenproduktion erfasst hat.
„Vintage“ steht für die Wertsteigerung, die ein Objekt durch Alterung, Selektion und Verknappung
erfährt – selbst wenn diese künstlich herbeigeführt sind. Der Begriff meint aber auch den lustvollen
Umgang mit Geschichte, das Mixen von Stilen. Denn nichts wirkt so antiquiert wie ein Komplettlook
aus makellos neuer Designerware. Patina hingegen zeugt von einer bewegten Vergangenheit
und stilisiert das Massenprodukt zum Unikat.
Plakat zur Ausstellung, gestaltet von Ralph Schraivogel
Die vielen Facetten von Vintage
In einer zunehmend globalisierten und anonymisierten Welt bedienen Vintage-Objekte, die sich
dem Anschein nach bewährt und die Zeit überdauert haben, die verbreitete Nostalgie. Sie garantieren
Authentizität. Das Prinzip Vintage ist allerdings ein komplexes System mit beträchtlichem
kreativem und wirtschaftlichem Potenzial. Die Ausstellung beleuchtet die unterschiedlichen und
teilweise widersprüchlichen Facetten dieses Phänomens. Sie zeigt rare Sammlerstücke, ebenso
wie künstlich gealterte Objekte aus industrieller Produktion, Retro-Modelle und brandneues Design
der Luxusklasse. Dabei richtet sie den Blick auch auf die fragwürdigen Aspekte unserer
Sehnsucht nach Objekten mit Geschichte: Wie stehen wir zu den heute üblichen sandgestrahlten
Jeans? Warum kaufen sich Berühmtheiten Hosen, die so aussehen, als hätte sie ein Farmer im
Mittleren Westen getragen, oder was gefällt uns an handwerklich aufwendig patinierten Möbeln
im Shabby Chic-Stil?
Vom echten Rietveld-Stuhl bis zum „Used Look“-Teppich
Rot-Blauer-Stuhl, 1953, von Gerrit Rietveld. Gezeigt werden sowohl ein Original aus dem Jahr 1953 als auch eine neue Reproduktion
Die Ausstellung präsentiert rund 100 herausragende Vintage-Stücke aus der Welt der Mode, des
Möbel- und Produktdesigns, zu denen ein in der Ausstellung aufliegendes Glossar ausführliche
Informationen liefert. In sechs Themenkreise gegliedert, erzählt sie Geschichten von der Faszination,
die von Secondhand-Ware ausgeht (an Objekten des Sammlers Alexander von Vegesack),
hinterfragt was ein Original und dessen Aura ausmacht (der legendäre Rot-Blaue Stuhl Gerrit
Rietvelds ist zu sehen) oder zeigt die Mechanismen der Retro-Welle von Sportbekleidung der
1960er Jahre auf, wie sie sich in der Hip Hop-Community der 1980er-Jahre manifestierte. Zwei
Exponate hat das Museum für Gestaltung speziell für diese Ausstellung in Auftrag gegeben: Der
Film, der das „Finishing“ eines Möbels im Shabby Chic-Stil in Indien zeigt, greift das Thema Patina
auf. Und der Teppich des Designers Jan Kath, dessen nach traditioneller Knüpftechnik gefertigtes
Design die Ästhetik des „Used Look“ in die zeitgenössische Textilkunst übersetzt, veranschaulicht
den konzeptuell weitergespinnten Vintage-Gedanken. Beide Objekte – das günstige
Produkt aus Indien wie das anspruchsvolle aus dem Iran – sind für eine vom „Vintage“-Trend
erfasste westliche Käuferschaft bestimmt. Neu, alt, getragen, gebleicht oder mit Sandstrahlern
bearbeitet: Anhand von Jeans werden die unterschiedlichen Aspekte des Vintage in einem eigenen
Themenkreis aufgezeigt.
Als wichtige Figur in dieser Thematik wirft die Ausstellung ein besonderes Augenmerk auf den
belgischen Modeentwerfer Martin Margiela. Auf die Themenbereiche verteilt, spannen verschiedene
Stücke den Bogen von Kollektionen aus uminterpretierten Secondhand-Textilien der frühen
1990er-Jahre bis hin zu Entwürfen, die sich konzeptionell mit dem Verfalldatum von Mode beschäftigen.
Öffnungszeiten
Dienstag–Sonntag 10–17 Uhr, Mittwoch 10–20 Uhr
Feiertage: 24.12., 26.12., 31.12.2013, 2.1.2014 10–17 Uhr
Geschlossen: Montags sowie 25.12.2013, 1.1.2014
Vermittlung
Ausstellungsgespräche
Karin Gimmi, Kuratorin der Ausstellung, im Gespräch mit Gästen:
Mittwoch, 4. Dezember 2013, 18 Uhr
Hat das Stil? – Vintage, kritisch betrachtet
Jeroen van Rooijen, Stil- und Modekritiker
Mittwoch, 15. Januar 2014, 18 Uhr
Abenteuer Objekt
Alexander von Vegesack, Sammler, Gründungsdirektor der Domaine de Boisbuchet und des Vitra
Design Museum
Mittwoch, 26.Februar 2014, 18 Uhr
Die Zukunft der Avantgarde von gestern – Vintage-Möbel
Joan Billing, Initiantin der Plattform design+design
Mehr unter:
www.museum-gestaltung.ch
Text: Museum für Gestaltung, Zürich