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FORMAL IST ALLES BESTENS…

…in Kassel, das ist jene Stadt in Deutschland, in der die Dokumenta stattfindet. Die Bürger können sich zufrieden zurücklehnen. Ihre demokratisch gewählten Vertreter haben abgestimmt und den Obelisk des Künstlers Olu Oguibe vom dortigen Königsplatz entfernen lassen. Die Spenden aus der Bürgerschaft für den Erwerb des Kunstwerks werden an die Spender zurück überwiesen. Und vor ein paar Tagen, nebensächlich, dass es am Morgen des Tags der deutschen Einheit war(?), wurde der Obelisk abgetragen. Nächtens, denn Gefahr durch den Abbau sollte für Vorbeigehende vermieden werden. Die in Nebenstraßen postierte Polizei achtete darauf, dass niemand versehentlich in den Gefahrenbereich geriet. Früh morgens, da sind die Menschen noch verschlafen. Jetzt ist das Kunstwerk irgendwo gelagert, die Welt in Kassel ist wieder in Ordnung.

ICH WAR EIN FREMDLING UND IHR HABT MICH BEHERBERGT. Zitat aus dem Matthäusevangelium und Inschrift auf dem Obelisk. Den Mitgliedern der christlich geprägten Gesellschaft wohl weder fremd noch fremdartig. Für den Künstler Mahnung an die Frommen, sich an die so gern proklamierten Wurzeln im Evangelium zu erinnern. Jene, die das Kunstwerk im Zentrum der Stadt behalten wollten, fanden kein Gehör. Formal wohl korrekt, inhaltlich katastrophal der Eindruck, dass eine Kampagne vom Rand, von den unverbesserlichen Ignoranten einer verheerenden Phase deutscher Geschichte, Initial für die Entfernung des Mahnmals gewesen sein kann. Ein Vertreter der Partei, Sie wissen schon, die mit dem ‚A‘, sprach 2017 von ‚ideologisch polarisierender, entstellter Kunst‘. Formal korrekt, demokratischer Abstimmung folgend, mutlos aber, ein klares Zeichen zu setzen, hat der Rat der Stadt einen Beschluss gefasst. Nächtens wurden Kräfte zur Entfernung und Polizei zur Beobachtung geschickt. Nächtens, zum Tag der Deutschen Einheit. Nächtens, so wie immer schon in der Vergangenheit Regime Schutz in der Dunkelheit nutzten. Die Bürger von Kassel schliefen, jener Stadt in Deutschland…