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ERWIN WURM WÄRMT…

Eine kurze Hinführung zuerst: Das Fastentuch nimmt den Blick auf den Altarraum und dessen Schmuck. So soll es während der Fastenzeit zur körperlichen Buße und auch zur geistlichen Enthaltsamkeit und Fokussierung auffordern. Das velum quadragesimale entstand aus dem jüdischen Tempelvorhang, der im Zusammenhang mit dem Tod von Jesus im Neuen Testament mehrfach erwähnt wird. In den Kirchen war das Fastentuch ein pur symbolisches, schmuckloses Objekt. Später entwickelte es sich zu einer Form christlicher Kunst.

Es ist also eine Fortführung der Tradition, Künstlern Aufgabe und Herausforderung anzutragen, ein Symbol für das Wesentliche der Fastenzeit zu schaffen. In der Dom- und Metropolitankirche zu St. Stephan und allen Heiligen in Wien hat der Künstler Erwin Wurm seine Botschaft installiert: Freies Menschsein ohne alle Deformierungen, herzenserwärmende Nächstenliebe als der Gradmesser für eine erneuerte innere Freiheit und Gottesbeziehung. Er hat den barocken Hochaltar mit einem achtzig Quadratmeter großen gestrickten Pullover in violetter Farbe umhüllt. Symbol für ein Wärmen der Seele. Auf dem Weg dorthin fordern im Innenraum des Domes seine entstellten und deformierten Skulpturen auf, über eigene Begrenzungen nachzudenken. Ein Mann ohne Kopf und Hände, nur noch von Aktentaschen definierte Körper, teils nur noch als abgepackte Würstchen erfahrbar- Potenzial, die eigene Freiheit und ihre Einschränkungen neu zu vermessen. Mahnung auch zu Widerstand gegen Rückfälle in alte Verhaltensmuster. Jene, die in der Vergangenheit zu Deformation und Erschütterung von Millionen Leben geführt haben, indem sie Heil für Anhängerschaft versprachen. Und nichts als unerträgliches Unheil brachten.

Die Bilder hat uns die Dompfarre St.Stephan in Wien verfügbar gemacht. Fotografiert hat sie Nelo Ruber. Fastentuch im Stephansdom in Wien von Erwin Wurm