Der erste Teil dieser Geschichte ist recht kurz. Beim Concorso d’Eleganza Villa d’Este 2017 wurde in der Kategorie Motorräder die Puch 250 Indien-Reise, Baujahr 1933 mit dem Titel ‚Best of Show’ geehrt. Jetzt käme dann noch die Auflistung weiterer Preisträger. Eine (ohne Zweifel berechtigte) Ode auf alles, was mit dem Erhalt seltener und wertvoller Fahrzeuge in Verbindung steht. Zurecht ja auch das Schwärmen von Form und Chrom, weil es einfach schön und wichtig ist, die Historie des Fahrens zu kultivieren. Das Umfeld noch – ein traumhafter Platz am See, blauer Himmel. Und alles spiegelt sich in brillant poliertem Chrom und Lack. Eine kurze Pause jetzt, zum Träumen…
Aber irgendwas ist anders. Die Namen der Marken, die kennt man. Die Rennstrecken und Siege dort. Dafür gibt es Bewunderung. Bei den Namen der Besitzer und Sachwalter der Preziosen ist traditionell Diskretion und maximal leise Anerkennung Usus. Im Vordergrund stehen die Objekte. Aber – was um alles in der Welt verbirgt sich hinter PUCH 250 INDIEN-REISE. Jetzt wird aus dem verallgemeinernden ‚Kultur des Fahrens‘ etwas Fassbares, aus der Meldung eine Geschichte. Über einen Mann, der ‚a echter Hund’ (das soll Österreichisch sein und den höchsten Grad der positiven Anerkennung ausdrücken, frei übersetzt von einem Menschen, der nördlich der österreichischen Grenze lebt) war. Abenteurer, begeisterter Bergsteiger, Sportler und passionierter ‚Motorist’. Es geht um Professor Dr.Max Reisch und sein Vermächtnis. Diplomkaufmann, Promotion 1938 in Handelswissenschaften. Der Ordnung und Gründlichkeit halber: Am 2.Oktober 1912 in Kufstein geboren, Schule in Bozen (sein Vater hatte 1916 in Südtirol einen Weinhof gekauft, Südtirol fiel nach dem Ende des ersten Weltkriegs an Italien. Der Vater sah dort keine Zukunft für seine Kinder und schickte Frau und Kinder nach Kufstein) Kufstein und Mödling bei Wien. HTL-Ingenieur, drei Semester Architektur. Nach dem zweiten Weltkrieg half er seinem Bruder Hans F.Reisch beim Aufbau der Großhandelskette SPAR. Das allein könnte ein Leben ausfüllen. Könnte. Es sind Stichworte aus dem Austria-Forum hinzuzufügen: Geograph, Orientforscher, Reiseschriftsteller, Vortragender, Pionier der motorisierten Verkehrsgeschichte, Mitgründer des Automobil Veteranen Club Austria. Dr.Reisch bestritt Autorennen, erfolgreich. Dokumentierte Zeit seines Lebens alles, was mit der Tiroler Verkehrsgeschichte zu tun hatte. Mit der Puch Typ 175 unternahm er die 12-Pässe-Fahrt, dann die Reise zum Gardasee. Die Sahara mit der Puch Typ 250 folgte 1932. Premiere für Puch, denn erstmals erreichte ein Motorrad aus Österreich Nordafrika. Es ging später mit dem Steyr Type 100 nach Osten: Als Expeditionsleiter der Weltfahrt 1935/1936 gelang ihm die Erstdurchquerung Hinter-Indiens (Burma, Thailand, Laos, China) mit einem Automobil. Viele weitere Reisen. Hervorzuheben im Moment aber die eine. Damit schließt sich der Kreis zur Villa d’Este. Er fuhr 1933 mit seinem Freund Herbert Tichy nach Indien. Mit eben genau diesem Motorrad, das nun als ‚Best of Show’ gewürdigt wurde. Max Reisch war übrigens der Erste, der mit einem Motorrad auf dem Landweg Indien erreichte.
Mit seinem Sohn Peter ordnete und katalogisierte Max Reisch seine Sammlungen und gründete das Reisch-Orient-Archiv. Die Fahrzeuge der Familie – das ist wohl einzigartig- sind erhalten und aufbewahrt. Die Sammlung umfasst weitere Raritäten als bemerkenswerte Zeugen österreichischer Automobilgeschichte. Seit 2008 im Tiroler Motor Museum.
Das ist nur ein sehr kleiner Ausschnitt einer außergewöhnlichen und großen Geschichte. Die Ehrung für das Motorrad ist wohl eher stellvertretend zu sehen. Als Verbeugung vor einem ganz besonderen Mann.
Nehmen Sie sich bitte die Zeit und erforschen Sie dieses Kapitel eines kulturhistorisch beachtenswerten Erbes:
https://www.maxreisch.at/php/startseite_de_1.html
WD