Fritz Kahn war in den zwanziger Jahren des vorangegangenen Jahrhunderts ein Star der Populärwissenschaft. Und geriet dennoch in Vergessenheit. ‚Das Leben des Menschen‘ machte ihn zum internationalen Bestseller-Autor. Diese Buchreihe wird als Meisterleistung populärer Wissenschaftsvermittlung gewertet. Sein Leben hingegen war konstante Konfrontation mit den Eigenschaften der Menschen, die nicht illustrierbarem Verhalten folgten. Kahn hatte mit seinen Texten und Illustrationen komplexe Prinzipien von Natur und Technik so dargestellt, dass sie allgemein verständlich wurden. Die von ihm beschriebene ‚Maschine Mensch‘ dagegen folgte einem anderen ‚Konstruktionsprinzip‘, das immer wieder Bilder von Grausamkeit, Ignoranz und Gewalt erzeugt. Die Marodeure des National-Sozialismus verbrannten seine Bücher, 1938 wurden sie auf die Liste des ‚schädlichen und unerwünschten Schrifttums‘ gesetzt. Sein Buch ‚Unser Geschlechtsleben‘ wurde im ‚Dritten Reich‘ polizeilich verboten und soweit auffindbar vernichtet. Dem Arzt, Aufklärer und Autor jüdischen Glaubens blieb nur noch die Flucht. Albert Einstein als Fürsprecher ist zu verdanken, dass die Vereinigten Staaten Kahn 1941 die Einreise erlaubten. Einstein beschrieb Dr.Kahn in einem Brief an den US-Konsul in Lissabon als bekannten und sehr begabten Verfasser naturwissenschaftlicher Bücher, von dem er eine hohe Meinung habe. Es sei im öffentlichen Interesse der Vereinigten Staaten, Dr.Kahn ein Visum zu erteilen.
Als Universal-Genie war Kahn in den zwanziger- und dreißiger-Jahren gefeiert. Und trotzdem geriet sein Name fast völlig in Vergessenheit. Er, der mit seinen Erklärungen biologischer und physikalischer Zusammenhänge das Laienpublikum aufklärte, war seiner Zeit weit voraus. Lange bevor der Trend wissenschaftlicher Beiträge in den Medien boomte, galt Dr.Kahn mit seinen herausragenden visuellen Vergleichen als ruhmreicher Medizin-Aufklärer. Den üblichen trockenen wissenschaftlichen und Laien kaum vermittelbaren Beiträgen stellte er seine aufregenden Beschreibungen und Visualisierungen entgegen. Fulminant in einer Zeit, in der noch nicht Rückgriff auf die Vorteile digitaler Techniken möglich war. Nun war Kahn zwar ein brillanter Autor, bei den Visualisierungen -das der Korrektheit wegen- nahm er die Hilfe von Illustratoren in Anspruch.
An seine Buch-Erfolge im ‚alten Europa‘ konnte er in den USA nicht mehr anknüpfen. Die Verkäufe dort waren schlechter als früher in Deutschland. Er geriet in Vergessenheit. Erst das Buch ‚Fritz Kahn-Man Machine‘ von Uta und Thilo von Debschitz brachte Veränderung. Und der TASCHEN Verlag, immer und immer wieder auf der Suche nach den verborgenen Schätzen, ehrt Fritz Kahn nun mit dem Buch FRITZ KAHN. INFOGRAPHICS PIONEER. Mit mehr als 350 der eindrucksvollsten Illustrationen aus seinen Büchern, mit seinen Original-Bildunterschriften, drei Texten aus Kahns Feder, ein Vorwort von Steven Heller und einen ausführlichen Essay zu Kahns Œuvre und Bedeutung.
Autoren sind die Geschwister Uta und Thilo von Debschitz. Sie haben gemeinsam bereits mehrere Bild/Text-Projekte realisiert. Für ihr erstes Buch, Frank Kunert. Verkehrte Welt, erhielten sie 2009 den Deutschen Fotobuchpreis und veröffentlichten im selben Jahr ihr erstes Buch über Fritz Kahn. Uta von Debschitz arbeitete bis 2002 als Architektin und ist seitdem als Journalistin mit den Themenschwerpunkten Kultur und Gesundheit tätig. 2010 kuratierte sie eine Ausstellung über Fritz Kahns visuelle Arbeit im Medizinhistorischen Museum der Berliner Charité. Zurzeit promoviert sie an der Universität der Künste Berlin über Kahns Visualisierungen. Thilo von Debschitz studierte Kommunikationsdesign und arbeitete als Designer und Artdirector bei internationalen Werbe- und Designagenturen. 1997 gründete er in Wiesbaden das Designstudio Q, das für seine Print- und Online-Medienprojekte bereits zahlreiche Preise gewonnen hat.
Fritz Kahn. Infographics Pioneer / Uta and Thilo von Debschitz / Hardcover, 19,6 x 25,5 cm, 1,46 kg, 400 Seiten / ISBN 978-3-8365-9007-5 (Deutsch, Englisch, Französisch)
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