Wenn es irgendwann einmal dazu kommen sollte. Wenn der Planet Erde eingebüßt haben sollte, was ihn wertvoll und bewohnbar macht. Wenn schön Gestaltetes zu einem Fossil innerhalb einer lebensfeindlichen Wüste wird. Fragen danach, wie es dazu kam, werden dann ohne Sinn sein. Das Forschen nach Konstrukten für die dann benötigten Überlebensformen, unter methodischen Gestaltungs-Gesichtspunkten könnte das eine Begründung für Design werden. Vermutlich aber würden Mausoleen entstehen. In hergebrachter Übung nach Schuld und Schuldigen für den Niedergang oder die Veränderungen zu suchen, ist sinnlos. Denn ein Kreis von Kausalitäten lässt nicht zu, den einen Punkt für Schuld zu benennen und dem Rest die Rolle der Opfer zuzumessen. Problem ist, dass dieser Kreis so groß und kam fassbar ist. Timothy Morton, Publizist, Philosoph und Hochschullehrer für englische Literatur, hat sich früh zu Philosophie in Verbindung zu Ökologie geäußert. Er nennt alles übergreifende Probleme Hyperobjekte. (Dieser Link führt zu einem Beitrag zu diesem Thema.) Paradox sei und ist, dass die Welt weitermache, als sei das bisher Geschehene vorübergehend. Dabei führe vermeintliche individuelle Machtlosigkeit zu fataler Agonie und opportunistischem Wunschdenken. Ein Gedanke davon könnte sein, endlich den Schuldigen dingfest machen zu wollen. Wäre dieser gefunden, wäre dies der Beginn der Besserung. Bis dahin herrscht die Suche nach dem anonymen Verursacher unter Vermeidung eines Blickes in den Spiegel. Eine Fortsetzung dieses Denkens würde zu nichts anderem führen als zur Bestätigung von Morton’s These.
Änderung der Position: Aus ‚Schuldig‘ wird ein ‚Nicht unschuldig‘. Juristen könnten diesen Zustand als Beihilfe einordnen. Ermittelt wird in der Sache Klimawandel und Nachhaltigkeit. Das Plädoyer sagt zum Design: Nicht unschuldig. Denn Gestaltung unter den geübten Ritualen erzeugt gewollten Verschleiß in der Tradition kapitalistischer Warenkultur. Quantitativer Erfolg von Produkten erzeugte, und das noch immer, qualitativen Erfolg für die am Gesamtprozess Beteiligten. Gewollte Verfügbarkeit überdeckt Bedenken. Gewollt werden Dinge, die sich noch nicht im Besitz befinden. Design hat daran nicht nur Anteil, es steuert Heroen bei, die mit dem ‚Haben müssen‘ Einfluss auf die Gesellschaft nehmen. Wenn Design die Aufgabe wahrnimmt, Dinge begehrenswert zu machen, dann fällt dem Design zwangsläufig die Rolle zu, die relevanten Wertbestimmungen eines notwendigen Morgen mit zu bestimmen. Begehrenswert kann nicht mehr das individuell possessive Haben sein, sondern das Wohlergehen von allen. Design muss dafür gesellschaftliche Relevanz gewinnen, zugleich von der Gesellschaft Relevanz zugemessen bekommen. Zwangsläufig verschiebt sich der Begriff Design hin zu Gestaltung der Art und Weise zukünftigen Zusammenlebens. Design wird eine Querschnittsdisziplin. Mit einem sehr komplexen Profil, das im Heute bei Weitem nicht erfüllt wird.

Wird Design zu Politik? Als Ergänzung der traditionell abgegrenzten Strukturen zur Regelung der Angelegenheiten des Gemeinwesens Menschheit und zu dessen Willensbildung? In diesem Zusammenhang ist der Hinweis auf die Ausstellung von Friedrich von Borries angebracht, die er 2018/2019 in der Pinakothek der Moderne in München kuratierte. Titel war Politics of Design / Design of Politics. Auslöser für diesen Beitrag war/ist der Film mit dem Titel DESIGN IST NIEMALS UNSCHULDIG, ausgestrahlt von arte, über diesen Link in der Mediathek von arte abrufbar.
Wird Design zu Politik? Oder ist das Risiko der komplexen Umgestaltung von Werten und Ordnungen für gewählte Vertreter an den Spitzen politischer Strukturen so groß, dass dem Design zwar die Rolle des NICHT UNSCHULDIG mit partiell zugemessener Teilnahme an Neuem zugemessen wird, die Bewährung aber entzogen bleibt, indem Design in den Gleisen geführt wird, die in der Vergangenheit gelegt wurden? Fokus: NEUES BAUHAUS EUROPA. Das Projekt steht am Anfang. Ziel ist ein neues Gebäude, in dem Menschen in gegenseitigem Respekt Grundlagen für ein gemeinsames Zuhause finden sollen. Nun hat die Suche erst begonnen. Es ist ohne Zweifel eine Chance. Zu früh zur Zeit, über die Position des Design in den ersten Diskussionen zu urteilen. Zu erkennen war in einer ersten Video-Session, dass das Design noch in seiner gewohnten Rolle nach Profilierung strebt und das physische Herstellen von Neuem mit geeigneten Formeln unterlegt. Herr Hans Kollhoff merkt in einem Feuilleton-Beitrag an, dass ein deutlich grundlegender Neuanfang erforderlich sei. Städte sollen umweltfreundlicher werden? Nach seiner Meinung sei der zyklische Ansatz falsch gewählt. Der Titel seines Beitrags: Tut nicht so grün, es bleibt Konsumkapitalismus.
Zusammenfassung für den Moment: Design ist niemals unschuldig, genauso nicht unschuldig wie alle anderen. Victor Papanek’s Arbeit für social Design, Enzo Mari’s Projekt für ‚eigenes‘ Design, sie wurden überschrieben von den Thesen der Moderne der Warenkultur. So wie die Forderungen aus dem Design der Siebziger Jahre des letzten Jahrhunderts nach dem Ende des gewinnorientierten Materialverbrauchs und die Prognosen des Club of Rome. Es wird nicht reichen, alte Häuser durch neue zu ersetzen. Geboten ist konstruktiver Umgang mit der Verantwortung und die Suche nach den Lösungen, die alle in einem ‚Neuen Haus‘ und miteinander leben lassen…
Visuals: Die Neue Sammlung – The Design Museum, Eingangswand Design Vision. Foto: Rainer Viertlböck / und Designers-Digest