„Fast alles, was wir tun, ist Design, ist Gestaltung, denn das ist die Grundlage jeder Menschlichen Tätigkeit.“ Victor Papanek befürwortete soziales und ökologisch nachhaltiges Design von Produkten und Einrichtungen der Infrastruktur. Sein Buch DESIGN FOR THE REAL WORLD wird zu den wichtigsten Publikationen im Zusammenhang mit Gestaltung gezählt. Seine kritische Betrachtung traf den Nerv der Zeit in den Siebziger und Achtziger Jahren. Stellt sich die Frage, ob er seiner Zeit voraus war – oder ob jene, die das heute großzügig verdrängend so bewerten, schlicht und einfach dem Opportunismus folgen. Denn das Nicht-Verfolgen von Papanek’s Thesen hatte ja durchaus für Gestalter der industriell überbordend produzierten Objekte großen Reiz. Es war monetär verlockend und versprach bei geeigneter Kommunikation Ruhm und Ehre. Design bot Eliten die Chance zur formalen Abrundung ihrer sozialen Stellung, wenigstens aber erweckte es durch Inbesitznahme eines Design-Signals den Traum der Zugehörigkeit zu jenen, die ihre Leben anders gestalten. Kein Grund zur Verdammnis. Zum Nachdenken schon. Was Papanek vor Jahrzehnten forderte und niederschrieb, ist im Heute erneut aktuell, dringlicher noch. Konsumkritik, Umweltverschmutzung, soziale Verantwortung- Stichworte. Diskutiert wird die Frage, wie die Zukunft des Planeten Erde und damit ja auch seiner Bewohner aussehen muss, damit ein Zustand der Schönheit des Lebens für alle erreicht werden kann. Ist es ungerecht oder vertretbar, die so verlockende Formel aus Genesis 1, 26-28 (…macht Euch die Erde untertan…) in einen Disput über Design einzubringen? Schaden kann es nicht. Wirksamkeit wird das Umdenken erst erreichen, wenn das Fatale der Interpretation korrigiert sein wird. Bis dahin ist zu wünschen, dass mehr und mehr Initiativen zur Besserung und zum ‚Design für Alle‘ beitragen. Mit der Ausstellung ‚Victor Papanek: The Politics of Design‘ präsentierte das Barcelona Design Museum 2020 die erste umfangreiche Retrospektive seines Wirkens. Die Victor J. Papanek Foundation in Wien (University of Applied Arts Vienna) unterstützt und organisiert Ausstellungen und Veranstaltungen mit Fokus auf Papanek’s Intentionen. Dort ist auch das Papanek-Archiv angesiedelt. Aspekte der Wechselwirkung zwischen Politik und Design beleuchtete u.a. auch die Ausstellung von Friedrich von Borries (Politics of Design, Design of Politics) in der Neuen Sammlung in München (2018-2019). Aktualisiert wird dieser Bezug vom Projekt NEW EUROPEAN BAUHAUS. Wenn das nicht in einer erneut zeitraubenden und damit wirkungsarmen Aktivität münden soll, wird dem Begriff Design viel Erklärendes und Klärendes hinzugefügt werden müssen. Auch werden Kompetenzen zur Durchsetzung notwendiger Wirkungsmacht zu definieren sein. Wenn Gestaltung als Mandat politischer Aktivität betrachtet werden sollte, dürfte ein spannender und faszinierender Prozess in Gang kommen. Nur ist zu bedenken, dass nicht erneut Jahrzehnte für die Umgestaltung zur Verfügung stehen…
Visuals: Museu del Disseny de Barcelona